Das zehntägige Festival für aktuelle Zirkuskunst cirqu’ findet in den ungeraden Jahren jeweils im Juni statt. Die atmosphärisch einmalige Alte Reithalle Aarau bildet das Festivalzentrum. Daneben gibt es auch andere Spielstätten in der Stadt.
Das Programm beinhaltet Inszenierungen, die sich durch Eigenständigkeit und innovativen Charakter auszeichnen. Neben weit gereisten Stücken, die den aktuellen Zirkus geprägt haben, finden auch unkonventionelle Experimente und verschrobene kleine Inszenierungen Platz. Zudem will cirqu’ nicht nur den internationalen Produktionen Raum geben, sondern auch die Schweizer Zirkus-Szene fördern.
Das Festival wird seit 2015 durchgeführt, seit 2017 als Biennale.
Der Verein cirqu’Aarau ist Mitglied des europäischen Netzwerks Circostrada und des Schweizerischen Berufsverbands der Zirkusschaffenden ProCirque.
2015 realisiert Roman Müller seine Idee, ein Festival für zeitgenössischen Zirkus in der Alten Reithalle in Aarau zu lancieren. Als künstlerischer Leiter entwickelt er die inhaltliche Vision des Festivals und steht mit Kooperationspartnern und Künstler:innen in engem Austausch, um alle 2 Jahre zu einem einmaligen Festival einzuladen.
Roman Müller – selbst Jongleur – lebt seit fast 30 Jahren mit und für den zeitgenössischen Zirkus. Mit seiner 2002 gegründeten Compagnie Tr’espace tritt er weltweit auf und wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet. Er ist seit 2015 Juror der europäischen Förderplattform CircusNext und war zwischenzeitlich Präsident des Verbandes ProCirque.
Madlaina Bundi ist seit der ersten Sitzung von cirqu’ mit an Bord und als einzig wahrhafte Aarauerin die Verbindung zur Stadt. Sie hält die Finanzen zusammen und ist für die Geschäftsleitung und die Medienkommunikation verantwortlich.
Madlaina studierte an der Universität Luzern Soziologie und Kommunikation (BA) sowie Vergleichende Medienwissenschaft (MA). 2014 folgte die Weiterbildung zur Kulturmanagerin im Stapferhaus Lenzburg. Seither ist sie bei verschiedensten Kulturprojekten tätig, aber hat sich hauptsächlich dem cirqu’ verschrieben.
Laura Olgiati ist seit dem ersten Festival 2015 dabei und engagiert sich nicht nur als Produktionsleiterin, sondern unterstützt das Festival auch mit ihrem Wissen über die Kulturszene des Zeitgenössischen Zirkus in Europa.
Laura studierte in Genf Internationale Beziehungen, liess sich in London zur Kulturmanagerin aus- und weiterbilden und arbeitete temporär für die Kaserne Basel, das Theaterfestival Basel und das Festival wildwuchs. Zwischen 2013 und 2017 war sie in London bei Crying Out Loud angestellt, einem führenden Produktionsbüro für Zeitgenössischen Zirkus in der britischen und europäischen Kulturszene. Neben der Produktionsleitung des Festivals beteiligt sich Laura zusammen mit Roman an der Ausarbeitung und Koordination von weiteren cirqu’ Projekten.
Edith Szabò ist zusammen mit Nik Friedli als technische Leiterin für cirqu’ Ansprechpartner für alle technischen Belange.
Edith arbeitet seit 1994 als technische Leiterin im Bereich Beleuchtung, Lichtgestaltung, Technik und Bühnenbau. Nach Festanstellungen im Theater Tuchlaube und dem Theater Marie ist sie zur Zeit freiberuflich engagiert für Theater, Tanz, Circus und Varieté.
Niklaus Friedli ist zusammen mit Edith Szbaò als technischer Leiter für cirqu’ Ansprechpartner für alle technischen Belange.
Niklaus absolvierte die Ausbildung zum Tontechniker (SAE) in Zürich, den Grundkurs und Fachkurs Veranstaltungstechnik SVTB. 2014 folgte der Basiskurs für Prüfungsexperten sowie der Fachkurs zum Prüfungsexperten „Veranstaltungsfachfrau/-mann EFZ“. Von 2007 bis 2018 arbeitete er erst als Theatertechniker, dann als technischer Leiter am Theater Tuchlaube. Von 2013 bis 2017 war er zudem Szenograph und Co-Leiter bei der Jungen Marie. Seit mehreren Jahren erarbeitet er Bühnen-, Licht- und Tonkonzeptionen für diverse freie Gruppen.
Seit 2017 ist Hannes Flück Mitglied des Kernteams; er kümmert sich um das Team der freiwillig Helfenden. Seine Faszination für den Zeitgenössischen Zirkus fusst auf eigenen Erfahrungen in einem Laienzirkus und er hat dank zahlreicher ehrenamtlicher Engagements im Kulturbereich die nötige Erfahrung, um die Organisation der Helferinnen und Helfer an die Hand zu nehmen.
Hannes studierte von 1997 bis 2004 an der Universität Basel Ur- und Frühgeschichte, Mittelalterarchäologie und Ethnologie, arbeitet seither für verschiedene Kantonsarchäologien in der Schweiz und doktorierte 2015 in provinzialrömischer Archäologie.
Die erfahrene deutsche Theatermanagerin Ute Classen ist dem cirqu’ als Beraterin eine grosse Stütze. Sie hat sich auf den Zeitgenössischen Zirkus spezialisiert, dessen Entwicklung sie seit 35 Jahren intensiv mitverfolgt.
Ute fungiert als Vermittlerin zwischen Kunstschaffenden und Veranstaltern und kennt beide Seiten: Sie war und ist als Produktionsleiterin, als Programmscout und als strategische Begleiterin von Kunstschaffenden tätig und hilft in Sachen Administration, Produktion und Tourneeplanung. Sie ist international bestens vernetzt.
Bei cirqu’ wirkt sie beratend im Hintergrund mit und ist Ansprechpartnerin für Fragen zur internationalen Zusammenarbeit.
Der Vorstand cirqu’Aarau setzt sich aus Barbara Deucher (Betriebswirtin & Strategische Kommunikationsberaterin), Nadine Tobler (Leiterin ThiK Baden), Olivia Müller (Rechtsanwältin – Leiser Meyer Müller in Aarau), Gabriela Käser (Gerichtsschreiberin) und Ernst Jäggli (Gesamtleiter des Stadttheater Langenthal) zusammen.
Das Festival ist eng mit der Alten Reithalle Aarau verbunden. Ohne diese Halle an zentraler Lage gäbe es cirqu’ nicht, in ihren Gemäuern entstand die Idee dazu.
Die Alte Reithalle wurde im 19. Jahrhundert für die Kavallerie gebaut und bis 1972 entsprechend genutzt. Anschliessend stellte man sie der privaten Sportreiterei zur Verfügung. Und diese warb mit: «Wenn du noch in der alten Kavalleriehalle reiten willst, musst du jetzt dem Reitverein beitreten; sie wird nämlich in Kürze abgerissen.»
Heute steht die Alte Reithalle noch immer. Sie wurde renoviert und 2021 als flexibel nutzbare Bühne für Theater, Tanz, Zeitgenössischen Zirkus und Konzerte wiedereröffnet.
Zurück zur Geschichte: Nach dem Ende der Sportreiterei war die weitere Nutzung des Gebäudes lange nicht geklärt; Aargauer Kultur- und Theatergruppen kämpften für ein Haus für die Darstellenden Künste. Schliesslich begann das Theater Tuchlaube Aarau, heute Bühne Aarau, ab 2011 in der Sommersaison mit einer Zwischennutzung. Grösse und Ambiente der Halle eröffneten ungeahnte Möglichkeiten, Bühnenschaffende griffen diese auf und füllten den Raum mit ersten Inhalten.
Bereits 2012 – in der zweiten Sommersaison – wagte man Neues und zeigte Zeitgenössischen Zirkus: «Mädchen Mädchen» der Aargauer Gruppe Roikkuva. Ein Jahr später spielte der Jongleur Roman Müller mit seiner Compagnie Tr’espace das Stück «ArbeiT»; 2014 kam er wieder mit der Produktion «Le Cercle».
Roman Müller war fasziniert von der Alten Reithalle und erkannte deren Potenzial. Die Idee eines ambitionierten Festivals für Zeitgenössischen Zirkus nahm Formen an; Peter-Jakob Kelting, der Intendant der Bühne Aarau, unterstützte das Projekt massgeblich. Zeitgenössischer Zirkus sollte Teil des zukünftigen Programms der Alten Reithalle werden.
2015 begann Roman Müller, seine Vision umzusetzen; er realisierte zusammen mit seinem Team cirqu’4 (warum mit cirqu’1 beginnen, wenn bereits drei Sommer lang Zirkus in der Halle gezeigt worden war?). An den fünf Spieltagen zu Gast waren die französische Companie Un loup pour l’homme mit dem Stück «Face nord» und Jörg Müller mit den beiden Produktionen «Mobile» und «c/o».
cirqu’5 dauerte 2016 bereits acht Tage und zeigte Highlights wie «4x4: ephemeral architectures» der britischen Gandini Juggling in Zusammenarbeit mit Argovia Philharmonics sowie Jani Nuutinens «Un cirque plus juste».
2017 erreichte cirqu’6 die angestrebte Länge von zehn Tagen und war nun das «ausgewachsene» Festival, das sich Roman Müller vorgestellt hatte. In diesem Jahre beinhaltete das Programm elf Inszenierungen (u. a. «Pour le meilleur et pour le pire» von Cirque Aïtal und «La cosa» von Claudio Stellato) mit insgesamt 33 Vorstellungen vor mehr als 5’000 Zuschauer*innen. Zirkus fand nicht mehr nur in der Alten Reithalle statt, sondern breitete sich in der ganzen Stadt aus: Das Theater Tuchlaube, das Stadtmuseum, das Kasernenareal und der Bahnhofplatz wurden miteinbezogen. Bei der Festivaleröffnung verwandelte sich die gesamte Aarauer Altstadt in eine belebte Bühne.
Nach 2017 wurde das Festival zur Biennale. cirqu’7 im Jahr 2019 setzte den Schlusspunkt unter die Zwischennutzung der Alten Reithalle Aarau. Erneut lockte das Festival mehr als 5’000 Zuschauer*innen in die Stadt und zeigte eine ganze Reihe von Inszenierungen, die für Furore sorgten, zum Beispiel «Le Vide – essai de cirque» von Fragan Gehlker und Alexis Auffray, «Vortex» von Phia Ménard und «Fidelis fortibus» des Circus Ronaldo. Zudem fand das internationale Fachpublikum für drei Tage in Aarau zum «General Meeting» des europäischen Netzwerkes Circostrada zusammen. Es war ein sehr erfolgreicher Abschluss der Zwischennutzung, die insgesamt neun Jahren gedauert hatte.
Drei Faktoren trugen zum Erfolg von cirqu’ bei: Die Stadt Aarau wollte ein strahlkräftiges Festival im Bereich Darstellende Künste, mit der Alten Reithalle gab es einen neuen, mit Inhalten zu füllenden Raum und der Zeitgenössische Zirkus war in den letzten Jahren auch in der Schweiz immer bekannter geworden.
Gerade der letzte Punkt war essenziell. Obwohl zum Beispiel das Théâtre Vidy in Lausanne oder das Theaterspektakel in Zürich seit Jahrzehnten immer wieder zirzensische Produktionen zeigten, hatte sich der Zeitgenössische Zirkus in der Schweiz nicht richtig etablieren können. Förderinstitutionen und viele Theater hatten Zirkus lange nicht als förderungswürdig betrachtet. Diese Einschätzung änderte sich in den letzten Jahren und der Zeitgenössische Zirkus ist nun in der Kulturbotschaft des Bundesrats verankert. Das Festival cirqu’ entstand im richtigen Moment und trug mit seiner Ausstrahlung und Qualität zur Entwicklung des Zeitgenössischen Zirkus' in der Schweiz bei.